Foto: Anja Hanke
Foto: Anja Hanke
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Für längere Zeit reisen, andere Länder erkunden oder einfach Zeit für sich haben und Neues ausprobieren. Das Zauberwort ist „Sabbatical“ – eine längere Auszeit von der Arbeit, zugleich bleibt der Arbeitsplatz erhalten – wer träumt nicht davon? L-MAG-Autorin Caroline Ausserer hat mit Frauen gesprochen, die sich eine Auszeit gegönnt haben.

„Mein Sabbatjahr hat mir mehr Weitsicht und Offenheit gegeben“, erinnert sich Doris an die aufregende Zeit vor drei Jahren. Mit ihrer Freundin Birgit ist sie acht Monate um die Welt gereist. Nach zwanzig Jahren Schuldienst – beide sind Lehrerinnen – wollten sie ihren Traum, in die Ferne zu reisen und Neues auszuprobieren, verwirklichen.

Der Begriff Sabbatjahr oder auf Englisch „Sabbatical“ geht auf das hebräische „šabat“ zurück, das innehalten oder mit etwas aufhören bedeutet. Eine andere Erklärung leitet es vom hebräischen Wort „šeba“ – sieben – ab. In der Tora steht, dass alle sieben Jahre der Ackerbau ausgesetzt werden soll, damit sich der Boden wieder erholen kann. Bekannt geworden ist das Sabbatjahr ursprünglich durch amerikanische Professor_innen, die sich für einen bestimmten Zeitraum aus der Lehre zurückzogen, um sich ganz der Forschung zu widmen. Heutzutage sind solche Forschungssemester auch an deutschen Hochschulen üblich. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen des Sabbatjahres: in Unternehmen oder Behörden, die ein Sabbatjahr erlauben, gibt es sogenannte Langzeitkonten, auf denen die Angestellten Teile des Gehaltes und/oder Urlaubstage und Überstunden ansparen.

Für Anja, 42, Lehrerin in Baden-Württemberg, war die Auszeit „eines der wichtigsten Erlebnisse“ in ihrem Leben. Nach fünf Jahren Vollzeit-Arbeit, aber nur 5/6 ihres Gehaltes, konnte sie ein Jahr aussteigen. „Ich bekam das angesparte Geld monatlich ausbezahlt, inklusive Jobgarantie und Krankenversicherung“, schwärmt sie. Genauso hat Doris für ihre Auszeit fünf Jahre Teile des Gehalts angespart und im sechsten Jahr die Auszeit genommen – bezahlt und versichert. Dass auch ihre Freundin den Antrag zur selben Zeit bewilligt bekam, war für sie ein Zustand „wie im Paradies!“.

Als Sonderschullehrerin in Berlin stellte ein Sabbatjahr für Doris nichts Ungewöhnliches dar: „Jedes Jahr ist jemand von uns weg.“ Die Landesverwaltung Berlin hat diese Möglichkeit für Bedienstete des Öffentlichen Dienstes bereits 1987 eingeführt und überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Arbeitnehmer_innen kehren nach der Auszeit zumeist gestärkt und erholt, „mit einem anderen Geist und erweiterten Horizont“ zur Arbeit zurück. Motivation und Kreativität können dadurch gesteigert und dem Burn-Out kann vorgebeugt werden. Einige Länder, wie Dänemark, die Niederlande und Finnland fördern daher solche Auszeiten von staatlicher Seite und füllen die frei gewordenen Arbeitsplätze in der Zwischenzeit mit Langzeitarbeitslosen.

Besonders der gesundheitliche Aspekt war für Doris wichtig: „Ich war zu der Zeit nach 20 Jahren Arbeit an der Sonderschule tieferschöpft, wurde in dem Jahr 50 und wollte mal was Neues erleben.“ Da fragte sie sich: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Daraufhin einigte sie mit ihrer Partnerin, ein „Around the world-Ticket“ zu kaufen und sich die gewünschte Auszeit zu gönnen. Während ihres Sabbaticals haben sie auf einer Alpacafarm in Neuseeland gearbeitet, äthiopische Schulen für Gehörlose und Blinde besucht und den südindischen kommunistischen Bundesstaat Kerala länger bereist. Über Fidschi, Hawaii und San Francisco sind sie schließlich nach Berlin zurückgekehrt. „Die Auszeit war unglaublich wohltuend und hat mein Leben sehr verändert.“ Doris ist zufriedener geworden mit ihrem Leben in Deutschland, auch selbstbewusster und ihre Beziehung hat sich vertieft. Glück, Sorglosigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung kennzeichneten ihre Auszeit „Fast wollte ich nicht mehr nach Hause“, lacht sie und berichtet über die Schwierigkeiten der Rückkehr. „Wir fühlten uns beim Reisen wie in einer Zeitschleife, während zuhause natürlich die Zeit nicht stillstand.“ Dennoch möchte sie diese Zeit nicht missen und hat auch schon mit ihrer Partnerin ein neues Sabbatjahr beantragt. „Ich habe in mir drin mehr Weite“, fasst Doris ihre Erfahrung rückblickend zusammen.
Auch Anja hat sich während ihres Sabbaticals einen Traum erfüllt: sie ist mit dem Schiff nach Südamerika und dort ein halbes Jahr herumgereist. Außerdem war sie drei Monate in Island. „Dort habe ich in einem Walmuseum gearbeitet, Polarfüchse für die Forschungsstation beobachtet und habe die Insel bereist.“ Sie habe insbesondere schätzen gelernt, mit sich alleine unterwegs zu sein. „Diese Zufriedenheit mit sich selbst zu sein war für mich so eindrücklich und bereichernd, dass ich es nur weiter empfehlen kann.“

Grundsätzlich können alle Arbeitnehmenden ein Sabbatjahr beantragen. Darauf gibt es allerdings – außer bei einigen großen Unternehmen wie BMW und Siemens – keinen Rechtsanspruch. „Ein Anspruch auf ein Sabbatical ist tariflich nicht vorhanden oder abgesichert“, bestätigt Gerold Haag von der Gewerkschaft ver.di. Es ist die Entscheidung eines jeden Unternehmens, ob es seinen Mitarbeiter_innen ein Sabbatjahr gewährt. Es gebe lediglich einige wenige Tarifverträge, v.a. in den Bereichen Gesundheit, Wissenschaft oder in der Bankenbranche, sowie bei Energie- und Telekommunikationsunternehmen. Die andere Möglichkeit eines Sabbaticals bestehe aufgrund einer Betriebsvereinbarung. „Existiert betrieblich kein anzuwendender Tarifvertrag, liegt es in der Hand der Betriebsparteien eine solche Regelung abzuschließen.“ Haag rät die gewerkschaftliche Rechtsberatung, sowie den zuständigen Betriebsrat hinzuzuziehen, um eine entsprechende schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu erzielen. Dafür sollten Fragen über die Länge des Sabbaticals, der Varianten der Finanzierung, des Kündigungsschutzes während der Auszeit, der Anrechnung von Krankheitstagen und der Bedingungen für die Rückkehr unbedingt behandelt werden.
Wenn die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen geklärt sind, steht einem Sabbatjahr, wie es Anja und Doris erlebt haben nur noch eine Frage im Wege: Wohin soll es gehen?

Caroline Ausserer (erschieben in L-MAG, Thema Auszeit – Nov./Dez. 2013)