Bild: Caroline Ausserer
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Foto: Caroline Ausserer

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Brüssel – Bislang sind klimafreundliche Produkte für den Konsumenten nicht zu erkennen. Laut Rasmus Priess von Thema 1 fehlen die Grundlagen, um den Energieeinsatz von Produkten zu berechnen. Daran arbeitet die deutsche Beratungsfirma in ihrem Pilotprojekt Product Carbon Footprint.

Caroline Ausserer: Um massive Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern, sollen bis 2050 die Treibhausgase um 80 Prozent verringert werden. Wie ist das Ihrer Meinung nach machbar?

Rasmus Priess: Ein durchschnittlicher Deutscher verbraucht etwa elf Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr; das sind etwa 30 kg pro Tag. Um den Ausstoss bis 2050 zwischen 80 bis 90 Prozent zu reduzieren, müssen wir weltweit auf zwei Tonnen pro Kopf kommen. Zwei Tonnen im Jahr sind etwa 5,5 bis 6,5 kg pro Tag. Doch beispielsweise eine einfache Zeitungsbroschüre verbraucht allein schon diese Energie in der Herstellung. Das bedeutet, dass überall versteckte Emissionen drinstecken, die bisher keine Beachtung finden.

Caroline Ausserer: Was müssten wir tun?

Rasmus Priess: Der erste Schritt ist es, die Relevanz zu erkennen. Weiters spielt der Konsument eine wichtige Rolle, denn ich kann mit meinem Verhalten Einfluss ausüben. Die Fragen, wie bereite ich mein Essen zu, wie kühle ich es und wie lagere ich es, haben einen Einfluss auf die Gesamtemissionen der Güter und Dienstleistungen, die ich konsumiere. Auch die Rolle der Händler ist wichtig, sie können über den Energieeinsatz bei der Herstellung ihrer Produkte die Gesamtemissionen beeinflussen.Das heisst es gibt eine geteilte Verantwortung zwischen Konsumenten und Hersteller.

Caroline Ausserer: Was sind die treibenden Kräfte für Unternehmen, in erneuerbare Energien zu investieren?

Rasmus Priess: In der Vergangenheit ging es vor allem darum, sparsamere Prozesse zu verwenden, um Kosten einzusparen. Derzeit erleben wir einen Bewusstseinswandel. Es gibt drei Kräfte für Unternehmen, um in erneuerbare Energien zu investieren: Zum einen werden die Unternehmen von ihren Zulieferern und von ihren Kunden gefragt, ob sie verantwortungsvoll produzieren. Zum zweiten kündigt die Politik Massnahmen an, auf die sich die Wirtschaft vorbereiten muss. Und drittens, beeinflusst die Nachfrage am Markt die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft.

Caroline Ausserer: Was machen Sie, wenn ein Unternehmen zu Ihnen kommt und umweltfreundlicher werden will?

Rasmus Priess: Zunächst ist es wichtig, ein gutes Verständnis über die Treibhausgasemissionen des eigenen Unternehmens zu gewinnen. Dabei muss die gesamte Wertschöpfungskette mit einbezogen werden. Ein Projekt von uns basiert darauf, das zu messen. Es ist das Product Carbon Footprint Pilotprojekt.

Caroline Ausserer: Was beabsichtigt dieses Pilotprojekt?

Rasmus Priess: Es gibt die Schwierigkeit, dass es noch keinen Standard dafür gibt, Emissionen zu messen. Daran arbeiten wir in diesem Projekt gemeinsam mit verschiedenen Organisationen, mit denen wir eine Plattform gegründet haben.

Caroline Ausserer: Wie berechnen Sie die Emissionen?

Rasmus Priess: Wir schauen uns den tatsächlichen Energieeinsatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette an, und rechnen das dann auf das einzelne Produkt um. Oft müssen dabei Emissionsfaktoren angenommen werden oder sie werden vor Ort gemessen. Manchmal kann man auf Datenbanken zurückgreifen, die zum Beispiel angeben, wieviel Abgase bei einem bestimmten Klima entstehen. Dann kommt eine Zahl heraus, die Schwankungen unterworfen ist und über den gesamten Energieeinsatz Auskunft gibt.

Caroline Ausserer: Mit dieser ungefähren Zahl über den Energieeinsatz geben Sie dann den Unternehmen Ratschläge?

Rasmus Priess: Ja. Die Frage ist dann, was kann man daraus ableiten und daraus lernen. Das ist sehr stark von den einzelnen Produkten abhängig. Wir sehen, wo am dringedsten angesetzt werden muss, und geben den Unternehmen Ratschläge, ihren Energieeinsatz zu verringern. Doch auch die Konsumenten haben eine Verantwortung, denn die wissen oft nicht, wie ein Produkt gehandhabt werden muss, damit es möglichst wenig Energie verbraucht. Was muss man dem Verbraucher sagen, damit er sich klimafreundlicher verhalten kann? Dafür gibt es noch kaum Ansätze. Nehmen Sie das Beispiel Eier: Inwiefern unterscheidet sich der Energieverbrauch, ob ich Freilandeier oder andere Eier kaufe. Das ist nicht klar, eben weil die Berechnungen noch Schwankungen unterliegen. International wird nach Lösungen gesucht, wie man sinnvoll den Konsumenten am besten darüber informieren kann, sich klimabewusst zu verhalten.

Caroline Ausserer: Wird das Pilotprojekt Vergleiche ermöglichen?

Rasmus Priess: Produktvergleiche sind vielleicht irgendwann möglich, doch derzeit noch nicht. Es stecken noch soviele Annahmen in der Berechnung drin, dass zwar Produktkategorien verglichen werden können. Aber ein direkter Vergleich ist immer noch schwierig.

Caroline Ausserer: Können dabei die EU-Richtlinien helfen?

Rasmus Priess: Das sogenannte “Labelling” (Kennzeichnen des Energieverbrauchs von Produkten, wie Kühlschränke und Waschmaschinen, gilt derzeit ausschliesslich für Haushaltsgeräte, red) ist ein Ansatz. Es soll in Zukunft womöglicht auf alle Produkte ausgedehnt werden. Und dann müssen sich auch alle darauf vorbereiten.

Caroline Ausserer: Was ist das Ziel Ihrer Arbeit?

Rasmus Priess: Es muss zu einem Ansatz kommen, der es ermöglicht, dass Konsumenten auf irgendeine Weise klimafreundliche Produkte erkennen können und sie auch umweltfreundlich benutzen können. Doch solange es keine Messgrundlagen gibt, ist es schwierig zu behaupten, dass ein Produkt “besser” als ein anderes ist. Es kann noch einige Jahre dauern bis es dafür internationale Grundlagen gibt. Der verantwortungsvolle Konsument ist relevant für das Klima, wird aber derzeit noch wenig addressiert. Wir brauchen etwas, um dieses Defizit zu überwinden.

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Zur Person:
Rasmus Priess ist Wirtschaftsingenieur, arbeitete als Universitätsassistent am Institut für Technologie und Management der TU Berlin sowie als Berater für Microenergy International. Er leitete zahlreiche Projekte über Klimawandel und Energieverbrauch, darunter für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und das Dialogforum Klimafreundliche Marktwirtschaft. Er ist derzeit bei der Unternehmensberatungsfirma Thema 1 in Berlin tätig.