Die kroatische Regierung will mit einem umfassenden Gesetz die rechtliche Situation von lesbischen und schwulen Paaren regeln – eine Kampagne kämpft mit einem Referendum «Im Namen der Familie» dagegen an.
Von Caroline Ausserer, Zagreb
«Wenn ich in die Klinik für künstliche Befruchtung gehe, dann muss ich lügen und sagen, ich sei alleinstehend und heterosexuell», sagt die 32-jährige Zeljka aus Zagreb traurig und senkt ihren Blick. Ihre 42-jährige Lebenspartnerin Sanda (beide Namen geändert) drückt ihr aufmunternd die Hand. Seit über zehn Jahren sind die beiden ein Paar. Nun wünschen sie sich ein Kind.
In Kroatien ist für ein lesbisches Paar ein solcher Wunsch jedoch fast unmöglich zu erfüllen, denn das Klima gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LSBT) ist schwierig. So gaben bei einer Umfrage der EU-Grundrechtsagentur von 2012 sechzig Prozent der Befragten an, wegen ihrer sexuellen Orientierung schon einmal in irgendeiner Form diskriminiert worden zu sein – das zweithöchste Ergebnis nach Litauen.
«Unsere rechtliche Situation als lesbisches Paar ist grauenvoll», sagt Zeljka. Sie und Sanda vermeiden es, ihre Partnerschaft offen zu leben und wägen vorsichtig ab, wem sie voneinander erzählen und wem besser nicht. Wenn sich etwa ihre NachbarInnen für ihre Art der Beziehung interessieren, sagen sie jeweils, sie seien «Familie.» Gemäss Zeljka hätten sie «kaum Rechte, schon gar nicht auf gemeinsame Kinder» Auch aus diesem Grund fährt sie seit längerem einmal im Monat zur künstlichen Befruchtung in eine Klinik in einem Nachbarland, das nicht genannt werden soll, damit auch das Paar unerkannt bleibt.
Zwar gibt es in Kroatien bereits seit 2003 ein Gesetz über gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Es wird aber kaum angewandt und regelt lediglich die Aufteilung von Gemeinschaftsbesitz, sowie Unterhaltszahlungen nach einer Trennung. Jetzt sollen die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare erweitert werden. Dafür engagiert sich die seit 2011 regierende und von den SozialdemokratInnen (SDS) geführte Mitte-links-Allianz Kukuriku.
Für Visnja Ljubičić, Ombudsfrau für die Gleichberechtigung der Geschlechter, ist ein starker politischer Wille spürbar. «Deshalb habe ich zusammen mit nichtsstaatlichen Organisationen vorgeschlagen, einen Gesetzesentwurf zu initiieren», sagt Ljubičić gegenüber der WOZ. Ihr Amt wurde 2008 geschaffen, als ein Anti-Diskriminierungsgesetz verabschiedet wurde. Dieses war eine der Bedingungen zur Aufnahme Kroatiens in die EU. «Das heutige Kroatien ist ein sehr junges Land und wir müssen noch einiges über Menschenrechte und Demokratie lernen», sagt Ljubičić und verweist auf rechtliche Fortschritte insbesondere bei der Bestrafung von Hassverbrechen, bei denen Menschen beispielsweise aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Opfer von Straftaten werden.
Doch können Gesetze tatsächlich eine Gesellschaft und vor allem tiefsitzende Vorurteile verändern? Für Ljubičić ist klar, dass eine wirksame Umsetzung von Gesetzen wesentlich dazu beitragen könne, die Menschen zu erziehen. «Das Wichtigste aber ist und bleibt die Bildungs- und Aufklärungsarbeit – besonders für junge Menschen», sagt sie. Branko Smerdel, Professor an der Rechtsfakultät in Zagreb, formuliert es vorsichtiger: «Meine Vorstellung, dass sich vieles mit einer guten Gesetzgebung quasi von selbst ergibt, musste ich im Laufe der Zeit ablegen.» Das gelte besonders dann, wenn «die Gesetze für viele Menschen zu weit gehen und eine Gesellschaft noch nicht bereit ist für gewisse Veränderungen». In diesem Falle existierten Gesetze nur auf dem Papier.
Dass der Kampf für gleiche Rechte von LSBT-Menschen noch lange dauern wird, zeigte im Mai der Erfolg der Initiative «Im Namen der Familie», bei der es darum geht, die Definition der Ehe als eine Verbindung ausschliesslich zwischen Mann und Frau verfassungsmässig festzulegen. Innerhalb von nur zwei Wochen gelang es den InitiantInnen, 750000 Unterschriften für ein Referendum zu sammeln – das entspricht knapp einem Sechstel der Bevölkerung. Das Referendum wird am 1. Dezember abgehalten.
Für Zeljko Reiner, Abgeordneter der oppositionellen Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) handelt es sich bei dem Referendum um die «Reaktion des konservativen Teils der Bevölkerung auf die in ihren Augen fragwürdige Vorhaben der Regierung». Gemäss Reiner sei der Gesetzesvorschlag nur ein Versuch der Regierung, um von den tatsächlichen Problemen wie etwa der schlechten wirtschaftlichen Lage Kroatiens abzulenken. Einen neutraleren Standpunkt vertritt Nansi Tireli von der linkspopulistischen Partei der Arbeit. Sie versteht den Konflikt um das neue LSBT-Gesetz als einen ideologischen Kampf zwischen linken und rechten Gruppen. «Jede Veränderung ist das Ergebnis eines Reifungsprozesses. Nur so entwickelt sich Demokratie.» Und dafür sei das geplante neue Gesetz genauso notwendig wie das Referendum.
Härtere Töne schlagen LSBT-AktivistInnen an. Sie wollen gegen das Referendum beim Verfassungsgericht Klage einreichen. «Hier geht es um Menschenrechte und darüber sollte nie in einem Referendum entschieden werden», sagt Sanja Juras, Leiterin der lesbischen NGO Kontra. Die Initiative sei eine reine Hetzkampagne. So ergibt es für Juras keinen Sinn, eine Definition in die Verfassung schreiben zu wollen, die bereits im Familienrecht enthalten sei. Hinter der Kampagne seien ausserdem deutlich die Kirche und andere konservativen Kreise auszumachen.
Trotz der medial wirksamen Proteste ist die SDP-Abgeordnete Gordana Sobol zuversichtlich, dass das neue Gesetz verabschiedet wird. Sie schreibt dies den zahlreichen Kompromissen zu, die im Vorschlag enthalten sind: «Für die einen ist es wichtig, dass wir nicht von ‹Familie› und ‹Ehe› sprechen, und für die anderen, dass wir ihre rechtliche Situation endlich regeln», sagt Sobol. Ein Recht auf Adoption ist allerdings auch im neuen Text nicht vorgesehen. «Es ist noch nicht an der Zeit über gleichberechtigte Adoptionsrechte zu sprechen», sagt Sobol bedauernd. Daher stehe im Entwurf, dass ein Gericht über den Status der elterlichen Fürsorge des zweiten Elternteils von Fall zu Fall entscheiden solle. Ebenso werden Bezeichnungen wie «Mutter», «Vater» oder «Familie» tunlichst vermieden.
Statt dessen würden Personen wie Sanda beispielsweise als «Skrbnik» bezeichnet werden, was soviel heisst wie Betreuerin oder Bezugsperson. Sanda fürchtet zudem die Möglichkeit, von einem Gericht überhaupt keine Rechte über das gemeinsame Kind eingeräumt zu bekommen. Zeljka hingegen sieht das neue Gesetz als ein erster Schritt hin zu mehr Rechten. Bis diese vollumfänglich umgesetzt sind, will das lesbische Paar erst einmal ein Kind bekommen und seine Partnerschaft danach eintragen lassen – zum Preis, dass Zeljka bei ihrem monatlichen Termin in der ausländischen Klinik oder gegenüber ihren NachbarInnen weiter lügen muss.
Kasten:
Der Gesetzesvorschlag der kroatischen Regierung zur registrierten Lebenspartnerschaft soll, bevor er ins Parlament zur Abstimmung kommt, demnächst während dreissig Tagen öffentlich diskutiert werden. Mit achtzig Artikeln würden durch das Gesetz viele Bereiche einer registrierten Lebenspartnerschaften geregelt und vom Erbrecht über das Recht auf Freistellung von der Arbeit, wenn der oder die PartnerIn krank ist, bis hin zu Pensionsrechten alles abgedeckt sein. Der Entwurf soll voraussichtlich noch vor Jahresende verabschiedet werden.
Caroline Ausserer, (erschienen in der Schweizer WOZ – die Wochenzeitung am 7.11.2013)
Veränderte Versionen der Reportage erschienen in Jungle World (Nr. 47, 2013), neues deutschland (26.11.2013) und Die Furche (5.12.2013).
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