Foto: Julia Ehrt
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Die Jahreskonferenz des LSBTI-Netzwerks ILGA-Europe fand 2013 in Kroatien statt. Im Mittelpunkt stand die sich ausweitende Homophobie in den osteuropäischen Ländern.

„Mit unserem Zusammenschluss wollten wir die internationale Solidarität, sowie die Wirksamkeit des Einsatzes für die Rechte von Homosexuellen stärken“, berichtet Nigel Warner, der von Anfang an dabei war – im Vorstand und als Schatzmeister von ILGA. „Wir wollten unsere politischen Aktionen aufeinander abstimmen, um mehr Druck auf die Regierungen und Internationalen Organisationen ausüben zu können.“ Da bei der Gründung keine Lesben dabei waren und die Gründer nicht in deren Namen sprechen wollten, hieß die Organisation zunächst IGA, das „L“ kam erst 1986 dazu. Am Anfang sei es schwierig gewesen, von politischen Verantwortlichen ernst genommen zu werden. Erst nach den ersten Erfolgen mit den Urteilen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in den 80er Jahren, die sich für die Entkriminalisierung von Homosexualität in Irland und Zypern aussprachen, erarbeitete sich ILGA immer mehr Anerkennung. In den 90er Jahren ging es darum, ILGA regional zu stärken und es kam zur Gründung von sechs Regionalgruppen, darunter auch ILGA-Europe.

Die bedeutende Wende für die Lobbyarbeit von ILGA-Europe kam 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam. „Spätestens da war allen klar, wie wichtig eine fachkundige Interessenvertretung ist, die als Link zwischen der Community und der Politik agiert“, berichtet Nigel Warner und erzählt stolz, dass ILGA-Europe daraufhin sogar von der Europäischen Kommission eingeladen wurde. Im Vertrag von Amsterdam steht erstmals, dass die EU „geeignete Vorkehrungen treffen (kann), um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu bekämpfen.‘‘

Bedeutendes jährliches Highlight ist die Jahreskonferenz von ILGA-Europe Ende Oktober. „Dabei schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Evelyn Paradis, Geschäftsführerin von ILGA-Europe. „Zum einen finden im großen Rahmen Debatten mit Entscheidungsträger_innen statt, sowie im kleinen Rahmen Workshops und Seminare. Zum anderen halten wir unsere Jahresvollversammlung ab, bei der der Vorstand gewählt wird, wir über unsere Ziele diskutieren und die Finanzen angenommen werden.“ Für Paradis ist die Konferenz der Höhepunkt des Jahres: „Es ist die größte LSBTI Veranstaltung in Europa und gibt unserer Arbeit Sinn.“ Dieses Jahr nahmen 280 Menschen aus 40 Ländern daran teil. Obwohl der Großteil der Teilnehmer_innen Aktivist_innen sind, die eine LSBTI-Organisation vertreten, sind auch Geldgeber_innen, Politiker_innen oder Interessierte dabei.

Für manche Teilnehmende ist es die erste Konferenz, wie für den kroatischen Aktivisten Stjepan Pakasin: „Es ist beeindruckend, so viele Menschen zu sehen, die für unsere Rechte kämpfen und zeigt, wie groß der Einfluss von ILGA-Europe ist.“ Er freut sich viele Gleichgesinnte kennen zu lernen. Andere sind hingegen schon lange dabei, wie Gabi Calleja vom Vorstand. „Die Konferenz ist für mich wie eine Familie, ein Ort zum Energie tanken und zugleich auch Hoffnungsspender.“ Die Aktivistin aus Malta hat hier gelernt, die Hoffnung auf Veränderung nicht aufzugeben. Demnächst werden voraussichtlich sogar im bislang konservativen Malta gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannt. „Als mitgliederbasierte Organisation ist für uns Zuhören das Wichtigste. Wir können rasch Themen in unsere Arbeit integrieren, wenn unsere Mitglieder das wollen, wie beispielsweise Trans*- oder Interthemen“, betont Silvan Agius, Policy Director von ILGA-Europe. Außerdem unterstützt ILGA-Europe die Mitgliedsorganisationen bei ihren Kämpfen um mehr Rechte auf nationaler Ebene.

Für Juris Lavrikovs, Pressesprecher von ILGA-Europe, hat der Anstieg an Nationalismus während der Finanz- und Wirtschaftskrise Tür und Tor für Homophobie geöffnet. „Daher genügt es nicht, dass ILGA-Europe auf der europäischen Ebene Grundrechte einfordert, sondern muss auch auf nationaler Ebene aktiv werden“, betont Lavrikovs. Er verweist auf zahlreiche problematische Entwicklungen in Ländern wie Lettland, Ungarn oder Rumänien, die die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau in den Verfassungsrang hoben. Dasselbe wird derzeit von einer Initiative in Kroatien mit einem Referendum versucht. Damit protestiert eine Kampagne gegen ein von der Regierung geplantes Gesetz für mehr Rechte für lesbische und schwule Paare. „Es geht hier um unsere Menschenrechte. Diese sollten nie einem Referendum unterstellt werden“, kritisiert Sanja Juras von der kroatischen lesbischen Organisation Kontra. Mit der Jahreskonferenz in Zagreb und dem Thema Family matters – Reaching out to heart and minds wollte ILGA-Europe ein klares Zeichen der Unterstützung senden. Nächstes Jahr ist Riga in Lettland dran.

FACTBOX zu ILGA-Europe:
Europa reicht für ILGA-Europe bis zum Kaukasus und umfasst alle 47 Länder des Europarats, plus Weißrussland und Kosovo. Derzeit sind 408 Organisationen aus 45 Ländern Mitglied bei ILGA-Europe, die seit ihrer Gründung 1996 ihren Sitz in Brüssel hat. Ziel ist eine Welt in der die Menschenrechte aller respektiert werden und alle gleichberechtigt und frei leben können ohne aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert zu werden. ILGA-Europe setzt sich dafür auf europäischer Ebene ein und ist bei der EU, dem Europarat und der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit) als Interessenvertretung aktiv, unterstützt aber auch die europäische LSBTI Bewegung, z.B. mit Trainings. Arbeitsschwerpunkte sind Asyl, Bildung und Arbeit, sowie Versammlungsfreiheit, Familie und homo- und transphobe Gewalt.

Caroline Ausserer, (erschienen in L-MAG Jan/Feb 2014)