Foto: Caroline Ausserer
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Immer mehr Lesben, Schwule und Transgender aus Verfolgerstaaten suchen Zuflucht in Deutschland

Verfolgung, Folter, Vergewaltigung, Krieg und Bürgerkrieg, drohende Todesstrafe oder Zerstörung der Existenzgrundlagen sind nur einige Gründe, die Menschen dazu bringen, zu fliehen. Weltweit waren Ende 2012, laut UNHCR, dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, über 45 Millionen Menschen auf der Flucht.

Flüchtlinge haben laut der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ein Recht auf internationalen Schutz. Dieser wichtigsten völkerrechtlichen Vereinbarung von 1951 (mit einem ergänzenden Protokoll von 1967) sind bislang 147 Staaten, auch Deutschland, beigetreten. Im deutschen Aufenthaltsrecht ist festgelegt, dass niemand abgeschoben werden darf, der die Flüchtlingsdefinition der Konvention erfüllt.

Flüchtlinge, die die deutsche Staatsgrenze überwunden haben, können einen Antrag auf Asyl, also auf Aufnahme und Schutz vor Verfolgung stellen. Damit werden sie zu Asylbewerber/innen. Das Asylrecht wird in Deutschland nicht nur – wie in vielen anderen Staaten – auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt, sondern hat als Grundrecht Verfassungsrang.

Doch wer als Flüchtling gilt, unterliegt einer engen Definition. Menschen aus dem Ausland werden dann als Flüchtlinge anerkannt, wenn deren Leben oder Freiheit im Herkunftsstaat wegen ihrer „Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ bedroht ist. Wenn nun Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt werden, können sie darauf Bezug nehmen, dass ihr Leben, ihre körperlichen Unversehrtheit oder ihre Freiheit wegen der “Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ bedroht ist.

Dies wird in einer EU-Richtlinie, die bis Ende des Jahres in deutsches Recht umgesetzt werden muss, ausdrücklich festgelegt. Darin wird bestimmt, dass „als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten (kann), die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. (…) Geschlechtsbezogene Aspekte, einschließlich der geschlechtlichen Identität, werden zum Zweck der Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimm­ten sozialen Gruppe (…) berücksichtigt“ (Artikel 10d der EU-Richtlinie 2011/95/EU). Damit wird eingeräumt, dass schwulen, lesbischen, bisexuellen, aber auch transgender Menschen bei Verfolgung aus Gründen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität Asyl gewährt werden muss.

Leider wird bei vielen Fällen von sogenannten LGBT-Flüchtlingen aus falscher Scham oder aus Unwissen dieser Flüchtlingsgrund nicht rechtzeitig oder gar nicht angegeben“, beklagt Rupert Haag, Gruppensprecher der Themengruppe Queeramnesty bei Amnesty International Deutschland. Das späte Angeben dieses Grundes werde häufig von Richtern als Fallstrick verwenden, den Asylsuchenden nicht zu glauben. Dennoch gebe es immer wieder Erfolge. „Erst vor einem halben Jahr haben wir es geschafft, dass ein junger schwuler Kameruner als Flüchtling anerkannt wird“, freut sich Haag.

Nach dem Asylantrag wird entschieden, ob ein Asylverfahren durchgeführt wird. Laut der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kommt es bei etwa ein Drittel aller Asylanträge nicht dazu, u.a. weil ein anderer europäischer Staat für den betreffenden Flüchtling zuständig ist. Die sogenannte „Drittstaaten-Regelung“ oder Dublin II-Verordnung besagt, dass Asylbewerber, die über einen sicheren Drittstaat einreisen, nicht als Asylberechtigte anerkannt werden. Als sichere Drittstaaten gelten alle EU-Mitgliedsländer sowie Norwegen und die Schweiz. Das bedeutet, sie werden in den Staat, über den sie eingereist sind, wieder abgeschoben.

Lesbische oder schwule Asylsuchende müssen beweisen, dass sie wegen ihrer sexuellen Orientierung im Herkunftsland verfolgt werden. Ausgehen kann diese Verfolgung vom Staat, von Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren. Auch was unter „Verfolgung“ zu verstehen ist, wird genau definiert: „Als Verfolgung gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen.“ Haag dazu: „Es muss mit mindestens zwei nachweisbaren Vorfällen eine schwere Verfolgung nachgewiesen werden. Dies ist für manche extrem schwierig, insbesondere wenn es bislang keine konkrete Verfolgung gab, eine gesellschaftliche Ächtung aber an der Tagesordnung steht.“ Wenn der Nachweis nicht gelingt, wird der Antrag abgewiesen.

Pro Asyl zufolge werden durchschnittlich 84 Prozent der Asylanträge abgelehnt und die Betroffenen müssen Deutschland verlassen. Sollten sie nicht reisefähig sein, keinen Pass haben oder die Situation im Herkunftsland lässt eine Rückreise nicht zu, erhalten sie eine so genannte „Duldung“, bis die Abschiebung möglich ist. Das kann oft Jahre dauern. „Duldung ist ein unangenehmer Zwischenstatus, der kein menschenwürdiges Leben ermöglicht“, sagt Haag. Neben Abschiebung und Duldung gibt es auch den so genannten ergänzenden Schutz: Diesen Status erhalten Menschen, die die GFK-Kriterien nicht erfüllen, aber dennoch als schutzbedürftig eingestuft werden. Sie bekommen ein befristetes Bleiberecht mit eingeschränkten sozialen Rechten.

Caroline Ausserer

In: L-MAG – Das Magazin für Lesben, September/Oktober 2013